Olaf Nicolai

Escalier du Chant

  1. Uraufführungen
  2. Georg Friedrich Hass Schweigen I. Fukushima
  3. Rolf Riehm Es war
  4. James Saunders distribution study #7
  1. Wiederaufführungen
  2. Georg Katzer My Gun
  3. Tony Conrad Homeless

James Saunders distribution study #7

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Deutsch

Ende März dieses Jahres gab es in der Sen-dung Newsnight einen wundervollen Moment in der Geschichte des Fernsehinterviews. Dieser passierte, kurz nachdem Studenten während der Demonstration des TradesUnion Congress gegen die Kürzungen in das Kaufhaus Fortnum’s und andere Läden auf der Oxford Street eingedrungen waren. Emily Maitlis fragte Lucy Annson von UK Uncut, ob sie, als Sprecherin für die Aktionsgruppe, die Gewalt verurteile. Sofort ebnete diese den Weg zu einem alb-traumhaften Interview: »Wir sind ein Netz-werk aus Menschen, die sich selbst organisie-ren. Wir haben keine Position zu den Dingen. Es geht darum, dem Individuum die Macht zu geben, dort hinauszugehen und kreativ zu sein.« – »Aber ist es falsch, wenn einzelne Personen Gebäude angreifen?«, fragte Maitlis. »Das müssten Sie die betroffene Person selbst fragen«, antwortete Annson. »Aber Sie sind die Sprecherin von UK Uncut«, insistierte Maitlis. Und Annson antwortete mit einem wundervollen Satz: »Nein. Ich bin die Spreche-rin meiner selbst.«

Diese Unterhaltung bringt eine sehr mäch-tige Ideologie unserer Zeit zum Ausdruck: die Idee des »sich selbst organisierenden Netzwerks«. Sie besagt, dass Menschen sich selbst in Systemen organisieren können, in denen sie zwar miteinander verbunden sind, aber weder Hierarchie, noch Führung oder Kontrolle existieren. Es handelt sich nicht um die bekannte Art kollektiver Handlung, an die die Linke einst glaubte, in der die Menschen sich der größeren Macht der Bewegung untergeordnet haben. Stattdessen kann jeder Einzelne des sich selbst organisie-renden Netzwerks als kreative, autonome, sich selbst verwirklichende Wesenseinheit nach eigener Einschätzung handeln.Trotzdem entsteht irgendwie durch die Rückkopplung zwischen allen Individuen innerhalb des Systems eine Art von Ordnung.
Adam Curtis

Statement

Unter Verwendung des Modells dezentralisierter und selbstorganisierter Netzwerke funktioniert »distribution study« als Komposition für persönliche, verteilte Aufführungen. Die Umsetzungen des Stückes, aufgeführt in der Pinakothek der Moderne in München während des Jahres 2011, katalysieren die Entstehung eines Verteilernetzwerks der Partitur. Individuell nummerierte Kopien der Partitur werden den Besuchern frei zugänglich gemacht, die sie wiederum an Empfänger weitergeben können, die bereit sind, dasselbe zu tun. Dieser Austausch wird durch eine Website kartiert, die zeigt, wie zwischenmenschliche Kommunikations-netzwerke die Ausbreitung von Information formen können.

English

At the end of March this year there was a wonderful moment of television interviewing on Newsnight. It was just after student protesters had invaded Fortnum’s and other shops in Oxford Street during the TUC march against the cuts. Emily Maitlis asked Lucy Annson from UK Uncut whether, as a spokesperson for the direct-action group, she condemned the violence. Annson swiftly opened the door that leads to the nightmare interview, saying: »We are a network of people who self-organise. We don`t have a position on things. It`s about empowering the individual to go out there and be creative.« – »But is it wrong for indivi-duals to attack buildings?« asked Maitlis. »You’d have to ask that particular individual,« replied Annson. »But you are a spokesperson for UK Uncut,« insisted Maitlis. And Annson came out with a wonderful line: »No. I`m a spokesperson for myself.«

What you were seeing in that interchange was the expression of a very powerful ideology of our time. It is the idea of the »self-organising network«. It says that human beings can organise themselves into systems where they are linked, but where there is no hierarchy, no leaders and no control. It is not the old form of collective action that the left once believed in, where people subsumed themselves into the greater force of the movement. Instead all the individuals in the self-organising network can do whatever they want as creative, autonomous, self-expressive entities, yet somehow, through feedback between all the individuals in the system, a kind of order emerges.
Adam Curtis

Statement

Taking the model of a decentralized and self-organising network, »distribution study« operates as a composition made for personal, distributed performance. Realisations of the piece performed at the Pinakothek der Moderne in Munich during 2011 catalyse an emergent score distribution network. Individually numbered copies of the score are made freely available to visitors, who may distribute them to willing recipients, who may in turn do the same. These exchanges are mapped via a website, showing the way in which interpersonal communication networks can shape the dissemination of information.

Quellen / sources: guardian.co.uk blogspot.com
(Letzter Zugriff / last access: 2. 7. 2011)