Deutsch
Neben Verlusten an den Börsen bringt die Woche bittere Erkenntnisse: Das Finanzsystem ist instabil, die Politiker sind überfordert, die Investoren ignorant. Selten zuvor hat es eine Woche gegeben, in der der Wohlstand der Menschheit so rasant dahingeschmolzen ist. Alle Anleger, selbst ganz konservative, sind ärmer geworden.
Ebenso schmerzhaft ist die Erkenntnis, der sich alle Akteure am Ende einer wahren Horrorwoche stellen müssen: Der nach der Banken- und Finanzmarktkrise durch eine Politik des billigen Geldes künstlich befeuerte globale Aufschwung verliert an Kraft – und er hat kaum eines der fundamentalen Probleme gelöst. Die Stabilität des weltweiten Finanzsystems hat sich seit der letzten Krise nicht markant verbessert. Und die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft sind unverändert hoch, ja sogar noch gewachsen.
Schuld daran ist aber nicht allein die Politik. Die Akteure an den Märkten haben selbst viel zu lange darüber hinweggesehen, zu welchem Preis die stolzen Wachstumszahlen zustande gekommen sind. Die Kalkulation, dass eine steigende Wirtschaftsleistung die teilweise überbordende Staatsverschuldung quasi automatisch finanzieren würde, war von Anfang an eine Milchmädchenrechnung. Nun sollen die Staatsfinanzen auf einmal kraftvoll konsolidiert werden, und das bitte schön, ohne dass das Wachstum Schaden nimmt. Das ist illusorisch, zumindest kurzfristig.
Die Sorge vor einer Rezession allein würde die Welt nicht untergehen lassen. Gemeinsam mit der Staatsschuldenkrise allerdings ergibt sich ein kaum noch zu kalkulierendes Risikoszenario. Gleichzeitig geht der Vorrat an Beruhigungspillen zur Neige. Spielräume für fiskalpolitische Konjunkturstimulanzien gibt es kaum noch, der Zinspolitik fehlt es an weiteren Mitteln, und die realwirtschaftliche Wirksamkeit zusätzlicher Liquidität seitens der Notenbanken darf getrost bezweifelt werden.
Der Druck auf die europäische Politik steigt. Die Frage lautet: Riskiert man ein Auseinanderbrechen des Euro oder sucht man sein Heil endgültig in einer Haftungs- und Transferunion? Der nächste Sondergipfel wird nicht lange auf sich warten lassen.
Thomas Exner, 5. 8. 2011
Statement
Der Zustand der Welt ist nicht verheerend, er ist verheert. Die Weltfinanzwirtschaft taumelt von einer Krise in die nächste. Eine ökologische Katastrophe jagt die andere. In der dritten Welt geschieht Mord durch ungenügende Hilfe, die Rüstungsindustrie boomt (Deutschland ist Nummer drei auf dem Weltmarkt) und Waffen werden in Krisengebiete exportiert, Ultras unterschiedlicher Couleur terrorisieren die Welt. All das wird begleitet vom abwiegelnden Gerede der Politiker, von uns Volk nur zu gern geglaubt, weil wir eigentlich gar nicht wissen wollen, wenigstens nicht zu genau. Also lauschen wir den Es-wird-schon-nicht-so-schlimm-werden-Reden. »Bis 2014 wird der Haushalt in Deutschland ausgeglichen sein, Afghanistan ist dann ein befriedetes Land, der Euro gerettet, die NPD endlich verboten, die Klimaerwärmung gestoppt«, die Kinder, sie hören es gerne.
Man möchte den Politikern Realitätsverlust bescheinigen oder eine verzweifelte Selbstschutz-Strategie, aber was bleibt ihnen denn anderes übrig, als Sedativa zu verabreichen, den Patienten ruhig zu stellen?
Es ist nichts! Nitschewo!
Dem Schuldner zieht man das letzte Hemd aus, man nimmt ihm das Tafelsilber, dann soll der Nackte in seine leeren Taschen fassen um zu zahlen. Das ist die Logik der Banken.
English
This week brought more bitter insights on top of the stock-market losses: the financial system is unstable, the politicians unable to cope, the investors ignorant. Seldom has there been a week in which the wealth of humanity has melted away so fast. All investors, even the most conservative, have become poorer.
Equally painful is the insight that all the players have to face at the end of a truly horrendous week: the global boom, artificially fuelled after the financial crisis by a politics of cheap money, is losing power – and it has barely solved any of its fundamental problems. The stability of the worldwide financial system has not improved significantly since the last crisis. And the imbalances in the world economy remain as high as before, nay, they have even grown.
But politics alone are not to be blamed. The market stakeholders have ignored for too long the expense at which the impressive growth figures have been purchased. The calculation that increasing economic performance quasi-automatically finances a somewhat extravagant national debt was a naive fallacy from the beginning. Now public finances suddenly have to be forcefully consolidated, but – please – without damaging growth. This is illusory, at least in the short term.
The fear of a recession alone will not lead to the end of the world. Combine it with the crisis of national debt, however, and a scarcely calculable risk scenario emerges. At the same time the supply of tranquillizers is running low. There is barely a margin left for fiscal–political economic stimulants, the interest-rate policy lacks further funds and the real economic efficiency of any additional liquidity provided by the banks can confidently be doubted.
The pressure on European politics is rising. The question is: should we risk a break-up of the euro or seek definitive salvation in a union of liability and transfer? The next special summit will not be long in coming.
Thomas Exner, 5. 8. 2011
Statement
The world’s condition is not devastating, it is devastated. The international financial system staggers from one crisis to another. One economic catastrophe hunts the next. In the Third World, people are murdered because there is not enough aid, the arms industry is booming (Germany holds third place in the world market) and weapons are being exported to crisis areas, while extremists of different persuasions terrorize the world. All this is accompanied by the appeasing talk of politicians, gladly believed by us, the people, because actually we don’t want to know, at least not in too much detail. So we listen to the it-won’t-be-that-bad speeches. ›By 2014 Germany’s budget will be balanced, Afghanistan will be a pacified country, the euro saved, the NPD finally forbidden, global warming stopped.‹ The children like to hear it.
One wants to confirm that the politicians have lost touch with reality, or are engaged in a desperate strategy for self-protection, but what else remains for them to do than to prescribe sedatives, to calm the patient?
It is nothing! Nitschewo!
The debtor is stripped of his last shirt, his silverware is taken from him, and then the naked man is supposed to dig into his empty pockets to pay. That’s the logic of the banks.
Quellen / sources:
welt.de
manager-magazin.de
(Letzter Zugriff / last access: 05. 9. 2011)